Alles was Recht ist...
So wie die Überschrift hätte auch das Motto des diesjährigen vero-Unternehmerforums im Juni lauten können. Die Verbandsführung hatte in diesem Jahr dazu in die Hansestadt Rostock geladen. Mehr als 100 Unternehmer und Unternehmerinnen der Roh- und Baustoffindustrie reisten an, um sich von namhaften Fachleuten darüber aufklären zu lassen, wie man die unternehmerische Balance auf einer geneigten Ebene hält – ohne dass diese zur schiefen Bahn wird. Substitutionswünsche vs. reale Umsetzung
Die Referenten und eine Referentin versorgten die anwesenden Teilnehmer mit wichtigen juristischen Details, die es in verschiedenen Wirkungsbereichen zu beachten gilt. So erörterte RA Gregor Franßen das kontrovers diskutierte Thema der (produkt-)neutralen Ausschreibungen für mineralische Ersatzbaustoffe im Spannungsfeld zwischen Ansprüchen, Realität und Rechtsempfinden. Nicht zufällig trug der Vortrag daher den Untertitel: „Rechtsanspruch oder Utopie?“ Franßen ging darin unter anderem der Frage nach, wie öffentliche Auftraggeber den Einsatz mineralischer Ersatzbaustoffe beeinflussen. Übergreifend existieren Strategien wie Europa 2020, Agenda 2030 oder das Kreislaufwirtschaftsgesetz. Absehbar kommt die geplante Ersatzbaustoffverordnung (als Teil der Mantelverordnung), die in ihrem Kern Anforderungen an den Einbau von mineralischen Ersatzbaustoffen in technische Bauwerke festlegt, noch hinzu. Ziel übergreifender Absichtserklärungen in diesem Zusammenhang ist die Substitution von Primärrohstoffen wo immer diese möglich ist, um ressourcenschonender zu agieren. Hier entsteht auch schon der Konflikt: Der politisch übergreifende Wille findet sich nämlich selbst in öffentlichen Ausschreibungen nur marginal bis gar nicht wieder. Franßen merkte an, dass es dabei gar nicht um eine Bevorzugung der Sekundärbaustoffe ginge, ein Erfolg wäre es schon, wenn sie zumindest zunächst mit in Ausschreibungen einbezogen würden. Noch sei es aber so: Ersatzmaterialien würden ausgeschlossen und nur Primärrohstoffe verwendet oder gesucht. Eigentlich ein rechtswidriges Verhalten – allerdings gebe es dazu auf Bundesebene noch keine verbindlichen Pflichten, ergo keine Ahndung. Nur hier und da auf Landesebene, wie in NRW, legt eine Verordnung, die zunächst jedoch lediglich auf Umweltaspekte abstellt, die Verwertung nahe. Hohe Wiederverwertungsquoten bei mineralischen Sekundärbaustoffen belegen zwar, dass sich durchaus Abnehmer für die Recycling-Massen finden, doch eigentlich sah der Gedanke der Kreislaufwirtschaft ein gutes Stück mehr „Augenhöhe“ bei gleicher Eignung wie Primärrohstoffen vor. Franßen betonte am Ende, dass hier noch einiges zu tun bleibt, um Wünsche und Wirklichkeiten tatsächlich zusammenzuführen.
Wenn die gute Absicht nach hinten losgeht
Dass das Thema Korruption immer wieder Diskussionsstoff liefert, liegt offenbar daran, dass die Grenzen zwischen geschäftsüblichen Gewohnheiten oder manchmal auch Notwendigkeiten und dem Verbotenen bisweilen fließend oder auf den ersten Blick nicht nachvollziehbar sind. Ziel des Vortrags von RAin Dr. Vivien Veit war daher vor allem die Sensibilisierung für Vorgänge, die nach außen verdächtig wirken könnten. Dabei wurde detailliert an Beispielen gezeigt, wie sich Haftungs- und Korruptionsrisiken erkennen und vermeiden lassen. Allein der bloße Verdacht kann bereits zu einer Razzia und damit einem Imageschaden führen. Wie vermutet, obliegt den Geschäftsführern die komplette Verantwortung für Vorgänge, in diesem Fall die Organisations- und Legalitätspflicht. Eine optimale Position haben all jene, die beweisen können, dass sie alle gängigen Maßnahmen ergriffen haben, um Korruption zu vermeiden. Wie aber vermeidet man am besten schon den Anschein bzw. den Anfangsverdacht? Veit warnt: „Amtsträgern etwas zuzustecken, ist immer eine schlechte Idee!“ Soweit so gut. Das lässt sich gut vermeiden. Weiterhin fordert sie dazu auf, sich als Leitmotiv immer die Frage zu stellen: „Wie wirkt es nach außen? Schenke ich das allen anderen auch? … Nein? – dann lassen Sie es sein!“ Auf diese Weise hält man sich an die Regeln der sozialen Adäquanz. Diese richtet sich nach dem Wert des Vorteils, der Höflichkeit, der sozialen Üblichkeit, der sozialen Stellung – wenn jemand gewohnt ist, besser essen zu gehen, muss ich mit der Person nicht zur Pommesbude gehen – und natürlich immer nach dem Einzelfall.
Da Korruptionsversuche am häufigsten durch Betriebsprüfungen auffallen, empfiehlt sich eine nachvollziehbare Dokumentation aller Vorgänge, um diese auch noch Jahre später begründen zu können.
Eine große Welle um das deutsche „Ü“
Dr. Thomas Rütten, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht, behandelte in seinem Vortrag das sogenannte „James-Elliott-Urteil“ des Europäischen Gerichtshofes zu harmonisierten Gesteinskörnungsnormen und dessen Folgewirkungen für Bauprodukte in Deutschland und Europa. Demnach ist es offenbar so, dass sich der EuGH zur Auslegung harmonisierter Normen berufen erklärt, während dies einem deutschen Gericht nicht zusteht. Die EU geht dabei von der Prämisse aus, dass der uneingeschränkte Marktzugang nicht von nationalen Besonderheiten überlagert werden darf. Deutschland hingegen war der Meinung, dass eine solche weitere Wertkennzeichnung den Zugang zum Markt nicht einschränkt. Um bei Bauwerken eine hohe Qualitätsnorm zu erfüllen, braucht es schließlich auch hohe Qualitätsnormen für Bauprodukte. Neben der CE-Kennzeichnung für harmonisierte Bauprodukte, die europaweit gilt, setzte Deutschland also auf das zusätzliche Ü-Zeichen, dass sich an der Bauregelliste orientiert und ansonsten ebenfalls für harmonisierte Bauprodukte gilt. Darin jedoch sah der EuGH eine Vertragsverletzung mit dem Resultat ungerechten Wettbewerbs, weil im beklagten Fall Verwendungsnachweis und Ü-Zeichen gefordert wurden (Urteil vom 27.10.2016). Das führt letztlich dazu, dass die Musterbauordnungen angepasst werden müssen, denn das Ü-Zeichen darf nicht mehr verwendet werden. Somit gelten nun „weniger“ bauordnungsrechtliche Anforderungen an Bauprodukte, bei gleich hohen Anforderungen an das Bauwerk. Ein Delta, das bis jetzt ungelöst ist. Eine CE-Kennzeichnung des Herstellers sichere zwar die Übereinstimmung mit der europäischen Norm, jedoch fehle das Ü-Zeichen für die Übereinstimmung mit den bauordnungsrechtlichen Anforderungen. Noch ist nicht ganz klar, wie eine Einhaltung der nationalen Anforderungen an ein Bauwerk mit nur CE-gekennzeichneten Bauprodukten garantiert werden kann. Deutsche Fachleute plädieren für eine Leistungserklärung, die das Ü-Zeichen auf indirekte Weise ersetzen könnte.
Abgründe jenseits des Sichtbaren
Der abschließende Blick über den Tellerrand in die Abgründe der Möglichkeiten organisierter Cyberkriminalität war leider einer, der den Blick in den Teller direkt zurückleitete. Das Fazit vorweg: Erwischen kann es wirklich jeden! Wem also das vorher Erörterte noch keine Sorgen bereitete, dem trieb dieser Vortrag von Michael Wiesner endgültig Schweißperlen auf die Stirn. Er wies in seinem Inputvortrag „Digitale Unsicherheit – Gefahr erkennen und minimieren“ mit Life Hacking eindeutig nach, wie leichtfertig Privatpersonen und Unternehmen in den meisten Fällen mit ihren Daten umgehen und somit potenzielle Zielscheiben für Hacker werden. So lernten die Teilnehmer viel über mögliche Schwachstellen und Angriffspunkte, um im Idealfall künftigen Angriffen vorbeugen zu können. Wiesner betont: „Überall um uns herum ist IT“! und er rät als IT Experte für den Mittelstand dazu, erstens genug in die Sicherheit zu investieren und sich zweitens zu überlegen, wie vorzugehen ist, falls die IT im schlimmsten Fall komplett ausfällt. In der Ära von Industrie 4.0 ein Rat, den sich jeder Unternehmer zu Herzen nehmen sollte. Viele sind auf einen solchen Ausfall nicht vorbereitet. Wichtig ist, Sicherheit ganzheitlich zu betrachten und jedes System im besten Fall separat zu schützen, um eine Kettenreaktion zu vermeiden. Das ist dringend geboten, denn Betrüger und Viren werden immer raffinierter. Sogar ins Weiße Haus haben es Hacker schon geschafft. Und wie? Mit einem Kätzchen-Video! Hacker müssen also nur eine einzige Schwachstelle finden. Und diese wird meistens über Interessen und/oder Hobbies ausfindig gemacht. Letztere herauszufinden ist dank Social Media mittlerweile kinderleicht. Wie schnell man sich dann einhacken kann, demonstrierte der IT-Profi innerhalb von Minuten. Mit wenigen Kniffen hatte er die Handykamera eines Teilnehmers gehackt und übertrug deren Bilder live über den Beamer auf die Leinwand. Eine gelungene Live-Demonstration die zeigte, wie schnell es jeden treffen kann. das Unternehmen empfiehlt Wiesner daher eine Kombination aus präventiven und reaktiven Maßnahmen, um bestmöglich gewappnet zu sein.
Wappnung: Am Ende empfahl eigentlich jeder der interessanten Vorträge genau das. Mit einer großen Fülle an dafür notwendigen Informationen, die zum Werkzeug im Alltag taugen, um vielen Unwägbarkeiten tapfer entgegenzutreten, hat sich das Unternehmerforum in Rostock einmal mehr in die Serie der erfolgreichen vero-Veranstaltungsangebote eingereiht.