IG BAU und vero (Baustoffindustrie) starten „Sozial-Charta“
Niedersachsen setzt auf „sozialen Sand“ und „fairen Kies“ für Wohnungen, Straßen, Brücken & Co.
Niedersachsen gewinnt 40 Mio. Tonnen Sand und Kies pro Jahr
Niedersachsen baut auf eine „neue Ressource“ – auf den „sozialen Sand“: Am heutigen Dienstag (Hinweis f.d. Red.: 12. Juli) unterzeichneten die Industriegewerkschaft BAU und der Verband der Bau- und Rohstoffindustrie (vero) in Hannover eine „Sozial-Charta“. „Damit beginnt in Niedersachsen eine neue Ära in der Rohstoffgewinnung für den Bau: Vom Arbeitsschutz bis zur Bezahlung – für die Gewinnung von Sand, Kies & Co. gibt es jetzt einen ‚Branchen-Deal‘ mit sozialem und ökologischem Akzent. Niedersachsen produziert quasi ‚sozialen Sand‘ und ‚fairen Kies‘. Auch mehr Nachhaltigkeit bei Natursteinen ist angesagt“, sagt der Landeschef der IG BAU Niedersachsen, Eckhard Stoermer.
Denn auch die Ökologie bekomme einen höheren Stellenwert: „Ziel ist es, Baumaterial – wie die Steine für den Wohnungsbau zum Beispiel – grüner zu machen. Es geht dabei um die Reduzierung von CO2-Emissionen. Aber auch darum, das Recycling auf dem Bau voranzubringen“, so Nico Steudel. Er ist Niedersachsens Landesvorsitzender vom Verband der Bau- und Rohstoffindustrie.
Die bundesweit erste „Sozial-Charta“ der Baustoffbranche regele das Bezahlen fairer Tariflöhne genauso wie mehr Mitbestimmung hinterm Werkstor: „Ob im Steinbruch, in der Sandgrube oder im Kieswerk: Davon profitieren alle – die Fahrer vom Schwimmbagger und Radlader genauso wie Schlosser, Mechaniker in der Aufbereitungsanlage und die Kaufleute im Büro“, so Eckhard Stoermer von der IG BAU. Es gehe vor allem auch darum, eine solide Personalplanung in den Betrieben voranzubringen: So solle das Stammpersonal gestärkt und Leiharbeit in der Bau- und Rohstoffindustrie möglichst vermieden werden.
Ziel sei es, durch die Sozial-Charta die Jobs sicherer zu machen und eine gute Ausbildung in der Branche zu garantieren. „Nachwuchswerbung muss dabei ganz oben auf der To-do-Liste stehen. Immerhin bietet die Branche eine Menge: Allein die Faszination, die von der Technik in Sand- und Kieswerken ausgeht, ist für viele junge Menschen ein Magnet“, so Stoermer.
Baumaterial wird, darin sind sich die IG BAU und der Verband der Bau- und Rohstoffindustrie einig, immer gebraucht. Allein der „Sand- und Kies-Hunger“ beim Wohnungsbau sei enorm. Für ein Einfamilienhaus mit einer Grundfläche von 120 Quadratmetern würden rund 355 Tonnen Sand, Kies, Ton oder Naturstein benötigt – im Fundament, in den Wänden, Betondecken und für Dachpfannen.
„Allein in Niedersachsen werden aktuell rund 40 Millionen Tonnen Sand und Kies pro Jahr gewonnen“, sagt der niedersächsische Landeschef vom Verband der Bau- und Rohstoffindustrie, Nico Steudel. Neben dem Wohnungsbau sei insbesondere die Infrastruktur – und hier vor allem der Straßen- und Brückenbau – auf niedersächsischen Sand, Kies, Split und Schotter angewiesen. Auch der Bau von Windkraftanlagen funktioniere nicht ohne diese Rohstoffe.
Die Branche warnt allerdings: „Die Lage in Niedersachsen ist ernst. Bei einem Drittel der Sand- und Kieswerke reichen die Vorräte, für deren Abbau eine Genehmigung vorliegt, keine fünf Jahre mehr. Ein weiteres Drittel hat genehmigte Vorräte von maximal zehn Jahren“, so Nico Steudel. Auch die niedersächsische Natursteinindustrie stehe kaum besser da. Jeder sechste Betrieb habe hier nur noch Ressourcen für maximal fünf Jahre. „Eine Politik, die den Menschen Wohnungen verspricht, muss auch die Gewinnung von Rohstoffen genehmigen“, sagt Steudel. Zudem gehe es darum, den Menschen in der Bau- und Rohstoffindustrie Sicherheit und Perspektive für ihre Arbeitsplätze zu geben.
Vor allem „komplizierte Genehmigungsverfahren“ sind Nico Steudel ein Dorn im Auge: „Die ziehen sich oft über Jahre hin. Es wird höchste Zeit, dass der Staat seine Genehmigungspraxis schlanker, schneller und damit effektiver macht.“ Hier sei insbesondere das Land Niedersachsen gefordert. Die Branche warnt zudem vor der Einführung einer staatlichen Förderabgabe für Sand und Kies. „Sollte das Land Niedersachsen auf die Idee kommen, hier eine neue Einnahmequelle aufzutun, hätte das fatale Folgen: Das Bauen und damit letztlich auch das Wohnen würden zusätzlich und unnötig teuer gemacht. Das kann man den Menschen nicht mehr zumuten“, sagt Niedersachsens Verbandschef der Bau- und Rohstoffindustrie, Steudel.
„Politischer Pate“ beim „Sozial-Pakt“ der Baustoffherstellung war Niedersachsens Minister für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz, Olaf Lies (SPD). Er wurde von Umwelt-Staatssekretär Frank Doods bei der Unterzeichnung der Charta vertreten: „Wenn der Bau seine eigene Branche noch sozialer und ökologischer macht, dann ist das genau der Schulterschluss, den wir in der Arbeitswelt und beim verantwortungsvollen Umgang mit den Ressourcen brauchen. Es ist ein Stück Pionierarbeit für die Branche – und mehr noch: ein Leuchtturmprojekt für andere Bundesländer."